Das Leben der Menschen im Mittelalter und der frühen Neuzeit war – nach heutigen Maßstäben – schwer und entbehrungsreich. Die Schere zwischen Arm und Reich war weit geöffnet. Die Versorgung von Armen und Kranken, Witwen und Waisen und anderen Randgruppen der Gesellschaft, wie z.B. der großen Anzahl von sogenannten Aussätzigen, hier vor allem den Leprakranken, war nicht durch eine staatliche oder städtische Fürsorgepflicht geregelt, sondern abhängig von der Spendenbereitschaft Einzelner.
Schon früh kümmerten sich besonders die Kirchen um die hier genannten Armen, aber auch reiche Bürgerinnen und Bürger versuchten durch Stiftungen die Not zu lindern. Als sprichwörtliche „Gegenleistung“ mussten diejenigen, die in den Genuss der Lebensmittel und der Unterkunft kamen, für das Seelenheil der Stifter beten. Die älteste Urkunde aus Ahaus, die dies bezeugt, stammt aus dem Jahre 1395, als der Vikar Hermann Hohus bestimmt, dass die Armen der Gemeinde am Gründonnerstag eine Speisung erhalten. Dies soll aus den Erträgen eines Gartens, den er stiftet, bezahlt werden. In den folgenden Jahrhunderten folgen weitere Stiftungen von Ahauser Bürgern, die das Leben der Armen erleichterten.
In der Willkommschatzung von 1498 und 1499 wird dann erstmals ein „Armenhaus“ in Ahaus erwähnt, in dem vier namentlich genannte Personen leben. Möglicherweise handelt es sich hier um einen Speicher, zu dem im Jahre 1527 zu Horstmar der verstorbene Hermann Kernebecke und Wilhelm Ludinchusen von dem Meister Steffen Boner und dem Gografen Johann Cock eine Summe Geldes erhalten haben, die den Genannten von frommen Leuten zu deren Seelenheil gestiftet und ausgehändigt worden sei.
Diese hier genannte Stiftung wird dann am 6. Mai 1538, in der nun nach Ahaus zurückgekehrten Urkunde, Wilhelm Ludinchusen und der Gertrud, der Witwe von Hermann Kernebecke, nochmals bestätigt.
Das Armenhaus lag unmittelbar am Coesfelder Tor, das außerdem noch existierende Siechenhaus in einer Entfernung von ungefähr einer Viertelstunde vor dem Tor am Weg nach Coesfeld (in der Nähe des Kalvarienberges). Neben dem Hause gab es noch einen Speicher für die Armen. Zur Aufnahme waren zunächst nur notdürftige Bürger und Bürgerinnen berechtigt. Jeder Aufzunehmende musste nach den Satzungen ein Bett mit Zubehör, einen Topf, eine Kanne, eine zinnerne Schüssel, einen Spind und einen Stuhl mitbringen.
Die kirchlichen und sozialen Stiftungen wurden auf Pergament festgehalten, besiegelt und sorgfältig aufbewahrt. So finden sich im städtischen Archiv verschiedene schriftliche Zeugnisse darüber. Und auch die nun nach Ahaus zurückgekehrte Urkunde befand sich fast 400 Jahre sicher im Archiv, bis sie wegen einer wissenschaftlichen Bearbeitung nach Münster gelangte und aus nicht geklärten Umständen nicht zurück gegeben wurde. Doch war sie seitdem sicher im Westfälischen Landesarchiv aufbewahrt, so dass sie nun in hervorragendem Zustand mit den angehängten Siegeln des Richters Everd van der Mark und der Stadt Ahaus wieder nach Ahaus zurückkehren konnte.